Journalisten und Verleger reagieren gemeinhin allergisch, wenn es um staatliche Medien- und Journalismusförderung geht. Sie wittern Zensur und sehen russische Verhältnisse heraufziehen. Doch die in der Verfassung garantierte Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit verpflichtet den Staat eben auch, dafür zu sorgen, dass die Bürger angemessen und demokratiegerecht informiert werden.
Sei es in der schweizerischen Bundesverfassung, im deutschen Grundgesetz, in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO: Der Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit kommen als Menschenrechte in demokratischen Gesellschaften eine zentrale Bedeutung zu.
Gerade der Blick auf die Geschichte der Medienfreiheit zeigt allerdings, dass sie sich einseitig als unternehmerische Freiheit für die Medien durchgesetzt hat. Unter dem Schlagwort Medienfreiheit wurden jahrzehntelang Kommerzialisierungs- und Monopolisierungsstrategien unternehmerisch und medienpolitisch vorangetrieben, die nicht nur den Medienunternehmen vergleichsweise hohe Profite einbrachten, sondern auch den demokratierelevanten Journalismus schwächten.
Während der Staat sich bei Eingriffen in den Medienmarkt zu rechtfertigen hat und belangt werden kann, sind Defizite des Marktes mit ihren dominanten Produzenten kaum einklagbar. Mit anderen Worten: Die Abwehr gegenüber staatlichen Eingriffen als negatives Recht setzt sich leichter durch als ein positives Recht der Zivilgesellschaft auf einen demokratiegerechten Journalismus im öffentlichen Interesse.
Nimmt man Demokratie und das Ideal der Selbstbestimmung als Referenz, gilt es die Medien-, Meinungs- und Informationsfreiheit als positives Recht der einzelnen Bürgerinnen und Bürger zu einer demokratiegerechten Information durch die klassischen und neuen Medien zu fokussieren. Bereits 1979 betonte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dass Artikel 10 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte nicht nur das Recht schützt, die von den Medien verbreiteten Mitteilungen zu empfangen, sondern es wird dem Publikum auch das Recht zugesprochen, angemessen d.h. demokratiegerecht informiert zu werden.
Ein derartiges Recht auf angemessene Information impliziert dann eine objektiv-rechtliche Verpflichtung für den Staat, die dazu nötigen strukturellen Bedingungen zu schaffen. Daraus lässt sich die medienrechtlich wie demokratietheoretisch brisante Frage ableiten, was staatliche Medienpolitik vollziehen darf, kann, will oder soll, um eine demokratiegerechte journalistische Grundversorgung der Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen.
Und da sind wir mitten in der aktuellen medienpolitischen Diskussion angelangt. Im Sommer 2011 hat der Bundesrat in seinem Bericht zum Postulat von SP-Medienpolitiker Hans-Jürg Fehr festgehalten, dass Anlass zur Befürchtung bestehe, «dass das freie Spiel der Marktkräfte allein das erwünschte Resultat einer vielfältigen, qualitativ ausreichenden Medienlandschaft nicht zu gewährleisten vermag.» Trotzdem verzichtete er auf staatliche Massnahmen setzte einmal mehr auf die Karte Selbstregulierung. Einzig eine Neubeurteilung der Situation in vier Jahren wurde in Aussicht gestellt.
Mit diesem Vorgehen waren zwar die Verleger und ihre Interessenvertreter zufrieden, bei breiten Kreisen und nicht zuletzt in den Regionen und Kantonen stiess der Entscheid aber auf Unverständnis. Wie breit diese Kreise sind, lässt sich sehr deutlich an der Motion «Sicherung der staats- und demokratiepolitischen Funktionen der Medien» der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates SPK-N ablesen, die Mitte Januar 2012 eingereicht wurde.
Die mit 15 zu 0 Stimmen bei 6 Enthaltungen angenommene Motion verlangt vom Bundesrat, auf seinen im Juni letzten Jahres gefällten Entscheid zurückzukommen und das Vorgehen zu beschleunigen. Der Bundesrat soll damit beauftragt werden, innert zwei Jahren – und auf der Grundlage einer Gesamtschau der schweizerischen Medienlandschaft aus regional- und aus gesamtmedienpolitischer Optik – einerseits ein Förderkonzept zur Stärkung der staats- und demokratiepolitischen Bedeutung der Medien zu erarbeiten und der Bundesversammlung andererseits den Entwurf rechtlicher Grundlagen für die indirekte und die direkte Medienförderung zu unterbreiten.
Eine direkte Medien- und Journalismusförderung bedarf einer Verfassungsänderung. Schon 2003 wollte die SPK-N über die Parlamentarische Initiative «Medien und Demokratie» eine zielgerichtete direkte Medienförderung erwirken und schlug in diesem Zusammenhang eine neue Verfassungsbestimmung, Art. 93a Medienpolitik, mit folgendem Wortlaut vor: «Der Bund fördert die Vielfalt und Unabhängigkeit der Medien. Er anerkennt dabei die Bedeutung der Medien für die demokratische Meinungsbildung auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.» Der Vorstoss scheiterte 2005 und 2005 in Ständerat und Nationalrat – nach der negativen Stellungnahme durch den Bundesrat votierten beide Kammern für Nichteintreten.
Zurück in der Gegenwart, ist vor allem die Reaktion des Tages-Anzeiger-Bundeshausredaktors Fabian Renz auf die Motion der SPK-N bemerkenswert. Renz spricht von einem trojanischen Pferd und einem «brandgefährlichen» Plan und lässt sich zu einem Vergleich mit Putins Russland hinreissen, wenn er von einer drohenden «gelenkten Meinungsvielfalt» schreibt. Das alles wirkt leicht hysterisch und aufgesetzt. Insbesondere von einem Journalisten, der selbst miterlebt hat, dass die Medienfreiheit in der Schweiz heute massgeblich durch Personalabbau, Crossmedia und Monopolisierung gefährdet ist.
Der Kommentar von Renz steht aber exemplarisch für die Reaktionen der Branche – vor allem, aber nicht nur der Verleger – auf medienpolitische Vorstösse, die die unternehmerische «Pressfreiheit» betrafen. Bislang war man mit dem reflexartigen Heraufbeschwören staatlicher Zensur auch erfolgreich. Was die Motion der SPK-N anbelangt, blieb Renz mit seiner Position, zumindest in der Medienöffentlichkeit, jedoch auffallend einsam.
Beobachter der Branche äusserten ihre – wenn auch vorsichtige – Unterstützung für das Vorhaben. Vielleicht ist der politische Prozess noch zu wenig weit fortgeschritten, als dass sich eine konzentrierte Gegenreaktion lohnen würde. Vielleicht hat aber auch ein Meinungswandel stattgefunden. Ist das Aufbrechen der historisch bedingten Kopplung von privatwirtschaftlich-kommerziellen Medien und Journalismus doch zu offensichtlich, als dass man noch länger die Augen davor verschliessen könnte?
Wenn dem so ist, dann wäre der Weg frei, oder zumindest freier denn je, für eine lösungsorientierte Debatte. Eine Debatte darüber, wie der Staat mit der nötigen Zurückhaltung der Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit als positiven Rechtsansprüchen der Bürgerinnen und Bürger zum Durchbruch verhelfen könnte. So etwa durch den Support von zivilgesellschaftlich institutionalisierten, demokratisch organisierten und rechenschaftspflichtigen Medienorganisationen, deren Ziel nicht die Profitmaximierung ist, sondern demokratiegerechter Journalismus.