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Bundeshaus, Sprache im Krieg, Weltwoche

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The Good – Gemeinsam gegen Behördenschwurbel

Am Donnerstag wollte der Bundesrat sein Sanktionsregime nach Putins Angriff auf die Ukraine erklären. Also eigentlich sprach Bundespräsident und EDA-Vorsteher Ignazio Cassis etwas über sieben Minuten hilflos lang davon, dass der Bundesrat zwar die militärische Invasion «aufs Schärfste» verurteile und man Putin auffordere, seine Truppen zurückzuziehen, doch konkrete Massnahmen präsentierte er nicht. Wirtschaftsminister Parmelin, der für Sanktionen zuständig wäre, war gar nicht erst vor Ort.

Cassis’ Staatssekretärin Livia Leu und Botschafter Erwin Bollinger stellten sich den Fragen der Journalist:innen. Und die kam zahlreich, fast eine Stunde lang folgte Frage auf Frage: Die NZZ wollte etwa wissen, wie die Schweiz ihre bewaffnete Neutralität interpretiert, ein Tages-Anzeiger-Journalist fragte, warum die Schweiz die Sanktionen der USA und der EU nicht übernehme. Immer wieder verlangten die Medien nach Begründungen und Erklärungen, sie Bundeshausjournalist:innen löcherten die Behördenvertreter:innen. Doch diese formulierten das bereits Gesagte nur mit anderen Worten.

Viel Brauchbares kam bei dem «konfusen Medienauftritt» («Tages-Anzeiger») bis zum Ende nicht heraus. Das lag definitiv nicht an der fehlenden Beharrlichkeit der Bundeshausjournalist:innen, sondern an einem zaudernden Bundesrat und der Unfähigkeit seines Personals, das (Nicht-)Handeln der Schweiz zu erklären.

The Bad – Wie man nicht über Krieg berichtet

Mit welchen Worten und Bildern berichten wir über Krieg? Hier eine unvollständige Auswahl schlechter Beispiele:
• Von einem «Ukraine-Konflikt» schreiben. Der Ausdruck «Konflikt» verharmlost, was gerade geschieht. Er suggeriert, dass zwei Seiten auf Augenhöhe involviert sind: Bei einem Konflikt treffen unterschiedliche Wertvorstellungen oder Erwartungen aufeinander. Aber jetzt findet gerade eine Invasion statt und es herrscht Krieg. Bei einem Konflikt rollen keine Panzer über Landesgrenzen.
• Putins Entscheidung, mutmasslich Völker- und Kriegsrecht zu brechen, als «Russlands Angriff» oder «die Invasion Russlands» formulieren. Der Entscheid, einen militärischen Angriff zu starten, hat Russlands Präsident Vladimir Putin getroffen. Dass die russische Bevölkerung damit nicht einverstanden ist, zeigten die Proteste in russischen Grossstädten in den letzten Tagen, ungeachtet der massiven Drohungen Putins.
• Wenn uns Journalist:innen die letzten zwei Jahre etwas gelehrt haben sollten, dann das: Horse-Race-Berichterstattung hilft niemandem. Es ist nicht nötig, auf seiner Startseite ein Video im Endlosloop zu zeigen, in dem Bomben auf Wohnhäuser fliegen.

The Ugly – Häme von der «Weltwoche»

Die SRF-Russland-Korrespondentin Luzia Tschirky berichtete am Donnerstag vom Angriff auf die Ukraine und trug dabei eine schusssichere Weste. «Weltwoche»-Bundeshausredaktor Hubert Mooser (Bild) sah darin eine «Inszenierung», denn zu diesem Zeitpunkt sei «in Kiew», an dessen Autobahnausfahrt sich Tschirky während der Übertragung befand, wohl «keineswegs schon geschossen worden». Dabei ignoriert Mooser, dass sich die Journalistin ziemlich genau zwischen zwei Flugplätzen befand, die zu den prominenten Zielen der russischen Armee zählten und zum Teil schon unter Beschuss standen.

Tschirky ist eine gestandene Reporterin, erfahrene Russland-Expertin, wurde 2021 zur Journalistin des Jahres gewählt und im gleichen Jahr in Belarus wegen ihrer Arbeit verhaftet. Wie und wann sie sich schützt, liegt in ihrem Ermessen. Moosers journalistische Tätigkeiten gehen nicht über die Landesgrenze hinaus. Doch 2004 erwähnte er in einem Porträt in der Rhonezeitung Oberwallis, dass der Beruf des Kriegsreporters sein «Bubentraum» gewesen sei. Der Verdacht liegt daher nahe, dass in den unqualifizierten Äusserungen dieses frustrierten älteren Herren auch Neid mitschwingt.

Ob derart widerlichem Auftreten fehlen einem die Worte. Die richtigen gefunden hat Watson-Journalist Petar Marjanović, der zu Moosers Artikel eine fundiert begründete Beschwerde beim Presserat eingereicht hat. Über 300 Personen haben die Beschwerde innerhalb von weniger als 24 Stunden unterschrieben.

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